Wieviele Wiederholungen soll ich machen?

1. Vergiss nicht, die wichtigsten Trainings-Variablen sind das Trainingsvolumen, wieviel du eine bestimmte Muskelgruppe trainierst sowie dein Progressionsschema. 

Wenn du noch ein Anfänger bist, ist es nicht wichtig dich darauf zu konzentrieren wie viele Wiederholungen du am besten machen solltest, sondern auf korrektes erlernen der Übungen und das passiert immer mit wenig Gewicht und vielen Wiederholungen. Oft ist auch eine Regression der Übungen notwendig: Wenn jemand es nicht schafft einen Klimmzug zu machen, muss eine Möglichkeit gefunden werden, einen Klimmzug zu erlernen. Und nein, das geht nicht gut mit Lat Pulldowns an der Maschine.
Wenn jemand beim Kreuzheben die Stange nicht korrekt an den Knien vorbeiführen kann sollte er zuerst mit einer ähnlichen Übung (Hüftstreckung) beginnen und sich zum Kreuzheben heranarbeiten.

2. Na gut – ich bin jetzt kein kompletter Anfänger mehr – wie viele Wiederholungen soll ich denn jetzt machen?
Leider ist die falsche Information in der Trainingsszene vorherrschend, dass maximales Muskelwachstum nur in der „Hypertrophie Reprange“ von 10-12 Wiederholung stattfindet. Das ist falsch.

Noch wichtiger: es gab noch nie eine Studie die bei kontrolliertem gleichen Volumen festgestellt hätte, dass in der eine niedrigere Wiederholungszahl in weniger Muskelaufbau resultierte als eine höhere Wiederholungszahl.
Die Forschung bringt konsistent die Ergebnisse, dass niedrige Wiederholungszahlen und hohe Wiederholungszahlen annähernd gleiches Muskelwachstum auslöst, jedoch niedrige Wiederholungszahlen die Kraftwerte signifikant steigern. 

Gut erst müssen wir mit dem Fundament beginnen, die Antwort vorweggenommen: „Es kommt drauf an“.
Die fundamentalen Faktoren für Muskelwachstum sind Reize die mittels SAID Prinzip eingewirkt werden:
a. Mechanische Spannung auf der Muskelzelle:
Je mehr Gewicht du bewegst desto höher ist die Mechanische Spannung, in den letzten Jahren hat sich dieser Faktor in der Wissenschaft als der Wichtigste bei den herausgestellt. Sprich je mehr Gewicht du bewegst desto mehr muskeln Baust du auf. Typischerweise sind das Wiederholungsbereiche von 3-6 Wiederholungen
b. Muskelschäden
Diese werden bei längerer Belastung im Bereich 7-15 WH verstärkt ausgelöst und sind auch ein Faktor der zu Muskelwachstum führt. Mikroskopisch kleine Risse in den Muskelfasern führen zu dem Umstand, dass der Körper diese reparieren muss, und durch das Prinzip der Superkompensation „überrepariert“ er sie und dadurch wächst der Muskel.
c. Metabolische Belastung
Üblicherweise bei mehr als 15 WH und vielleicht gepaart mit Okklusionstraining, auch Flossing oder KATSUU Training genannt, entsteht in den Muskelzellen die Insuffizienz Abfallprodukte abzutransportieren. Dies Belastet die Zelle und in einer Ruhephase wird danach die Fähigkeit der Zelle diese Metabolische Belastung auszuhalten gesteigert.

So und nun hängt es davon ab aus welchen Typen von Muskelfasern deine Muskulatur (pro Muskelgruppe betrachtet) besteht.
Die einfachste Kategorisierung ist in:
1) Schnellkraftmuskelfasern / Fast Twitch / Type II
Diese Muskelfasern sind stark, jedoch können sie, da sie ohne Sauerstoff als Treibstoff funktionieren nur kurz verwendet werden, da sie schnell ermüden. Sie reagieren besser auf „Mechanische Spannung“
2) Mischformen, zB Type IIa, IIx, and IIb
Es gibt noch mehrere anderer Muskelfasertypen oft treten Mischformen auf, für die praktische Erklärung des folgenden reicht diese Abstraktionsebene 

3) Langsamen Muskelfasern / Slow Twitch / Type I
Diese Muskeln sind eher schwach, können dafür sehr lange arbeiten. Sie reagieren mehr auf höhere Wiederholungszahlen und metabolische Belastung. Wiederholungszahlen die für diese Fasern am meiste Muskelwachstum bringen sind Wiederholungsranges von mehr als 15, weit über 20 würde ich generell nicht empfehlen.

Und damit ist klar, dass es „drauf ankommt“ – du solltest in dem Bereich (pro Muskelgruppe) trainieren, indem du die meisten Muskelfasern hast. Und welcher ist das jetzt?
Da gibt es 2 Ansätze, einen theoretischen und einen praktischen

1. Der theoretische Ansatz:
Es gibt Daten über die Muskelfaserzusammensetzung von statistisch signifikanten Bevölkerungsschichten, da kommen oft dann evolutionär nachvollziehbare Informationen heraus:
a. Der Triceps ist zu 67% Fast Twitch und sollte daher in einem niedrigen Wiederholungsbereich schwer trainiert werden. Bedenkt man, dass die Streckung des Ellbogens eine Abwehrreaktion ist, macht das durchaus Sinn.
b. Die Beinmuskulatur ist statistisch gesehen total unterschiedlich, eine Mischform. Auch evolutionär nachvollziehbar. Mittellange Strecken Laufen, Kurze Sprints und Sprünge sowie lange Distanzen, diese Anpassungsfähigkeit hat den Menschen evolutionär begünstigt.
c. Die hintere Schulter Muskulatur besteht überwiegend aus Slow Twitch Muskelfasern.
Nun kann man diese Daten der Muskelfaserzusammensetzungen hernehmen und einen Trainingsplan danach anpassen. Und wenn man nicht „anders“ als die meisten ist, funktioniert das meistens ganz gut und ist nach der ersten Anfängerzeit ein probates Mittel um weiter Fortschritt zu machen.
2. Der praktische Ansatz
Muskelfaserzusammensetzung individuell Testen. Das geht, pro Übung, und sollte jeder der Fortgeschritten ist und sicher ein 3RM Test (Austesten wieviel Gewicht schaffe ich bei jeder Übung mit 3 Wiederholungen) machen kann auch machen.
Das funktioniert so:

  • Mache ein 3 RM, merke dir den Wert
  • Mach eine etwas längere Pause
  • Nimm 80% vom ermittelten 3RM und mach damit so viele Wiederholungen die du sauber ausführen kannst

Nun kann Folgendes herauskommen:
Person A schafft Kniebeuge 3 WH mit 100kg.
Person B schafft Kniebeuge 3 WH mit 100kg.
Person A nimmt wie im Test beschrieben 80kg und schafft 16 Wiederholungen.
Person B schafft mit 80kg nur 8 Wiederholungen.

Hiermit kann man signifikant für genau diese Person herausfinden, was die Muskelfaser-Zusammensetzung der Muskelgruppen, welche bei dieser Übung verwendet werden ist.
Auf gut deutsch: Damit kannst du herausfinden in welchem Wiederholungsbereich du am meisten trainieren solltest.

Bedenke du hast eine Verteilung von Muskelfasern, wenn da jetzt rauskommt du sollst nur im Bereich 3-6 WH trainieren -> dann heißt das nicht, dass du nicht auch im 12RM Bereich trainieren solltest. Ein gut gemachter Trainingsplan berücksichtigt das, lässt dich aber mehr Volumen in dem Wiederholungsbereich trainieren, wo du mehr Muskelfasern hast, und wählt die Übungen dazu sinnvoll aus. Schwerer Belastbare Übungen sind besser für wenig Wiederholungen geeignet und isolierte Übungen besser für mehr Wiederholung.
Die Auswahl der Übungen und Anpassung der Rep Ranges macht einen guten Coach aus.

Also lasst euch nichts einreden, jeder Mensch ist einzigartig, und sollte individuell auf sich angepasst trainieren.